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Sozialgericht München
Richelstr. 11
80634 München
05. März 2019
Ich reiche hiermit Klage ein gegen das
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vertreten durch Ministerin Franziska Giffey, Glinkastraße 24, 10117 Berlin (im Folgenden BMFSFJ)
wegen der Blockierung auf Twitter und damit
Verstosses gegen Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG als auch insbesondere Art. 3 Abs. 1 und 3 GG und in Extension §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 7 Abs. 1 IFG.
Begründung
Die Sozialgerichte sind zuständig für die Einhaltung der Sozialgesetze und hier u.a. der Rechte aus dem § 1 SGB VIII Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe. Als Vater einer Tochter und Bezieher von Hartz IV und unter Bezug auf § 51 und § 2 SGG ist demnach das Sozialgericht erstinstanzlich das zu adressierende Gericht.
I. Mitte 2018 wurde der Twitter Account @ErebusSagace durch das BMFSFJ unmittelbar (!) geblockt. Als ein Benutzer dieses Social Network Accounts wurde ich damit in meinem grundgesetzlich garantierten Recht auf freie Meinungsäusserung als auch Informationsfreiheit gemäss Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG als auch insbesondere Art. 3 Abs. 1 und 3 GG beraubt.
Dies geschah unmittelbar, nachdem ich am 23. Juni 2018 einen Blog Post mit dem Titel “BMFSFJ, die "Initiative JUGEND STÄRKEN" wurde durch sinistre Jobcenter Charakterleiche Jürgen Sonneck exzellent implementiert. Kudos!” veröffentlicht hatte und diesen Post per Email laut Gmail Protokoll am “Mon, Jun 25, 2018, 11:10 AM” an das BMFSFJ sowie Jobcenter München und Stadt München gesandt hatte. Laut meinen Tweet vom 27. Juni 2018 geschah die Blockierung auf der Stelle.
In dem Papier des Deutschen Bundestags “Zugang zur Öffentlichkeitsarbeit der Polizei in sozialen Medien („Twitter“), © 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 044/18 heisst es zu:
2. Blockieren von Nutzern
Blockiert die Polizei bestimmte Beiträge oder Nutzer auf ihrem Kurznachrichten-Konto, greift dies grundsätzlich und je nach Fallgestaltung in folgende Grundrechte ein:
- Die Meinungsfreiheit des Nutzers, insofern er Beiträge der Polizei nicht mehr kommentieren kann (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG);
- die Informationsfreiheit des Nutzers, insofern er die Beiträge der Polizei nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen einsehen kann (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG);
Dies darf ohne Zweifel ebenso für Bundesministerien gelten. Diese sind offenkundig der Ansicht, Hartz IV Rezipienten sind dispensables gesellschaftliches Unterholz. Mit Fax vom 13. Jan. 2019 (siehe Anlage) erbat ich das BMFSFJ um Auskunft über die Gründe der Blockierung auf Twitter und die offiziellen Richtlinien der Bundesregierung für Blockierungen auf Sozialen Netzwerken generell. Als Frist nannte ich den 06. Feb. 2019, nachdem mehrere einschlägige Kommunikationen, wie aus dem Fax zu entnehmen, in typisch deutscher Art unbeantwortet blieben. Auch dieses Ersuchen blieb in der bekannt deutschen muffeligen Art ohne Resonanz.
- das Recht auf gleiche Teilhabe an öffentlichen Leistungen und Einrichtungen (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG)
II. Nicht nur verstösst diese Blockierung gegen das Grundgesetz, es scheint vielmehr, das BMFSFJ möchte es sich in einer Echo Chamber gemütlich einrichten und sich Gatekeeper als Garant einer Himmlerschen Familien-Idylle halten (siehe das Papier: “Political Discourse on Social Media: Echo Chambers, Gatekeepers, and the Price of Bipartisanship”, Kiran Garimella. Aalto University. Espoo, Finland).
Dem BMFSFJ, dessen Ministerin eine frappante visuelle Konnotation zum ‘Bund Deutscher Mädel’ bietet, ist offenkundig das Verständnis des Demokratieprinzips abhanden gekommen:
“Die Öffentlichkeit ist aber nicht nur Medium zur Bildung einer kollektiven politischen Identität, sondern auch ein Instrument der fortlaufenden Meinungs- und Willensaggregation im Volk. Öffentliche Kommunikation ist Ausdruck des Anspruchs der Bürgergemeinschaft, ihre Angelegenheiten selbst zu verhandeln. Öffentlichkeit ist mithin auch prozeduralisierte Volkssouveränität. … Soll sich die Meinungs- und Willensbildung der Bürgergemeinschaft auch auf diese beziehen können, lässt sich dies nur durch fortlaufende kommunikative Rückbindung der Verwaltung an das Volk herstellen, mithin durch die grundsätzliche Transparenz des Verwaltungshandelns. Die Öffentlichkeit der Verwaltung ist damit ein direkter Ausdruck des demokratischen Prinzips. …
Sie kann es aber, wenn in einer Demokratie die Willensbildung „von unten nach oben“ zu erfolgen hat, keinesfalls erschöpfend erfüllen. Zur demokratischen Meinungs- und Willensbildung bedarf es vielmehr der Möglichkeit zur unbeschränkten und ungefilterten öffentlichen Beobachtung des politisch-administrativen Geschehens.”
(aus: Prof. Dr. Arno Scherzberg, Erfurt, Das Recht auf Zugang zu behördlichen Informationen – ein neues Grundrecht? - Mit Nachweisen versehener Vortrag an der Universität Luzern, 2007)Der Vollständigkeit halber und zur Untermauerung der hier dargebrachten Fakten sei auf den Artikel “DEUTSCHLAND IST WELTMEISTER! BEIM BLOCKEN VON TWITTER-ACCOUNTS” hingewiesen, der ein erschütterndes, aber nicht überraschendes Szenarium reflektiert. Danach liegt Deutschland sogar vor der Türkei in der Rangliste der Meinungsunterdrücker.
Der Klagende begehrt daher zu wissen, welche/r Grund/Gründe für seine schmerzlich empfundene Ostrazisierung aus einem Medium des massenkommunikativen und kastenbefreiten Diskurses im binären Biotop multilateraler Meinungen und Habitat von gendered, gender-neutralen, gender-fluiden, wie non-gendered menschlichen Wesen vorlag/en. Mit anderen Worten weniger prolix formuliert:
An welchen Tweets nahm das BMFSFJ Anstoss, die eine Blockierung auf Twitter notwendig machten sowie die allgemeinen Kriterien der Bundesregierung für eine Blockierung?III. So denn angeführte Grundrechte des Klagenden als kompromittiert angesehen werden können, würde in Extension ein Verstoss gegen wesentliche Teile des Informationsfreiheitsgesetzes - IFG vorliegen, denn der § 1 Abs. 1 IFG besagt:
(1) Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Einer Behörde im Sinne dieser Vorschrift steht eine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient.Der § 5 Abs. 1 IFG führt aus:
(1) Zugang zu personenbezogenen Daten darf nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. …Die Freigabe der ministeriumsinternen Notizen zu meiner Person als Klagendem dürften wohl bei eigener Anfrage keinem schutzwürdigen Interesse unterliegen, sofern das BMFSFJ nicht übermässige Arroganz des adretten Klagenden unterstellt.
Schlussendlich heisst es in § 7 Abs. 1 IFG:
(1) Über den Antrag auf Informationszugang entscheidet die Behörde, die zur Verfügung über die begehrten Informationen berechtigt ist. Im Fall des § 1 Abs. 1 Satz 3 ist der Antrag an die Behörde zu richten, die sich der natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient. Betrifft der Antrag Daten Dritter im Sinne von § 5 Abs. 1 und 2 oder § 6, muss er begründet werden. …und ergänzend in Abs. 5:
Die Information ist dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Belange unverzüglich zugänglich zu machen. Der Informationszugang soll innerhalb eines Monats erfolgen. …IV. Eine mögliche Erklärung für diese grassierenden Blockierungen in beträchtlichem Umfang könnte in der Orientierung der Bundesregierung und ihrer Ministerien an das Papier von Hampton, Shin & Lu von der Rutgers University, New Brunswick, USA sein. Dort heisst es unter dem Titel “Social media and political discussion: when online presence silences offline conversation” u.a.:
"... we find that the use of SNSs (i.e., Facebook and Twitter) has a direct, negative relationship to deliberation in many offline settings. Some uses of these platforms are associated with having a lower, perceived opinion agreement with social ties. As part of a spiral of silence, this further reduces the willingness of social media users to join political conversations in some offline settings. Only those with the strongest attitudes on an issue are immune.”
"... wir finden, dass die Verwendung von SNSs (z. B. Facebook und Twitter) in vielen Offline-Umgebungen eine direkte negative Beziehung auf den Gedankenaustausch hat. Einige Anwendungen dieser Plattformen stehen im Zusammenhang mit einer niedrigeren, wahrgenommenen Meinungsübereinstimmung mit sozialen Bindungen. Als Teil einer Stille-Spirale verringert dies die Bereitschaft von Social-Media-Benutzern, an politischen Gesprächen teilzunehmen, wenn sie offline sind. Nur diejenigen, die zu einem Thema die stärksten Einstellungen haben, sind immun."Mit anderen Worten, könnte die Blockade der deutschen Regierung als Anstoss zu verstehen sein, ein kreatives und diskursives Familienleben in den “Safe Spaces” der vier Wände zu fördern, eine Befreiung von den Fesseln des binären “Lebensraums” zu ermöglichen und somit die “Spirale des Schweigens” zu brechen?
Ebenso denkbar wäre eine familienministerielle Berufung , missgeleitete Twitterer aus “Twitter’s Micro-Slavery” zu befreien, wie eponymer Artikel behandelt.
V. Zuguterletzt erlaubt sich der Klagende, den Horizont zu erweitern und aus den muffigen Gefilden der Republik einen Blick auf das Land mit einem First Amendment, und dies im Vergleich zum Schweizer Käse des Artikels 5 GG, zu werfen. Dort entschied der United States District Court for the Southern District of New York am 23. Mai 2018 im Fall Knight First Amendment Institute v. Trump, No. 1:17-cv-05205 (S.D.N.Y.):
“This case requires us to consider whether a public official may, consistent with the First Amendment, “block” a person from his Twitter account in response to the political views that person has expressed, and whether the analysis differs because that public official is the President of the United States. The answer to both questions is no.”
„In diesem Fall müssen wir prüfen, ob ein Beamter im Einklang mit dem First Amendment eine Person von seinem Twitter-Account als Reaktion auf die von ihm geäußerten politischen Ansichten„ sperren “kann und ob sich die Analyse unterscheidet, weil es sich bei diesem Beamten um den Präsidenten der Vereinigten Staaten handelt. Die Antwort auf beide Fragen lautet nein.“Eine Lektüre des Artikels “Blocking of Twitter Users from @RealDonaldTrump Violates First Amendment” und hier insbesondere der Paragraphen 1 und 3 sei empfohlen (Google translate).
[1.] Der von Twitter zur Verfügung gestellte virtuelle Raum für die Beantwortung der Tweets des Präsidenten ist ein "Designated Public Forum" - ein von der Regierung kontrollierter (wenn auch nicht in Besitz befindlicher) Raum, der im Allgemeinen für die Öffentlichkeit zugänglich ist und in dem das First Amendment Diskriminierung verbietet. Die Tweets selbst sind kein Forum, weil sie die eigene Rede des Präsidenten sind. Der Raum für öffentliche Antworten ist jedoch ein Forum. Die Sorge des Gerichts ist, dass Antworten für die Antwortenden ein wertvolles Mittel sind, um mit anderen Mitgliedern der Öffentlichkeit zu sprechen. Das Gericht erkennt an, dass es kein Recht gibt, mit dem Präsidenten auf eine Weise zu sprechen, die der Präsident lesen muss; dem Präsidenten steht es beispielsweise frei, die Stummschaltfunktion von Twitter zu verwenden, sodass er die Antworten des Benutzers nicht sehen kann, wenn er seine eigenen Feeds überprüft.
[3.] Obwohl blockierte Benutzer weiterhin die Tweets des Präsidenten lesen können und sie durch verschiedene Problemumgehungen (z. B. durch das Erstellen neuer Konten) kommentieren können, erfordern die verschiedenen Problemumgehungen “ für [die einzelnen Kläger], mehr Schritte zu unternehmen als nichtblockierte, angemeldete Benutzer, um die Tweets des Präsidenten anzuzeigen, "die ihre Fähigkeit, auf @realDonaldTrump-Tweets zu antworten, verzögern". Dies sei keine große Belastung, schloss das Gericht, aber “das First Amendment erkennt und schützt sogar vor De-Minimis-Schäden.”VI. Abschliessend drückt der Klagende, dessen deutsche Staatsbürgerschaft sich allein auf die Geburtsurkunde beschränkt und auf sonst gar nichts, seine klare und kompromisslose Intention aus, diese Angelegenheit durch alle Instanzen bis vor den EGMR zu verfolgen.
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Anhang: Pdf vom Januar 2019 an das BMFSFJ
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